Gesetzliche Grundlagen:
§ 58a.
(1) Hat eine Person, die behauptet, durch Verschulden einer Ärztin/eines Arztes bei deren/dessen Beratung, Untersuchung oder Behandlung geschädigt worden zu sein, schriftlich eine Schadenersatzforderung erhoben, so ist der Fortlauf der Verjährungsfrist von dem Tag, an welchem
1. die bezeichnete Schädigerin/der bezeichnete Schädiger oder
2. ihre/seine bevollmächtigte Vertreterin oder ihr/sein bevollmächtigter Vertreter oder
3. ihr/sein Haftpflichtversicherer oder
4. der Rechtsträger jener Krankenanstalt, in welcher die genannte Ärztin/der genannte Arzt tätig war, schriftlich erklärt hat, zur Verhandlung über eine außergerichtliche Regelung der Angelegenheit bereit zu sein, gehemmt.
(2) Wenn eine Patientenanwältin/ein Patientenanwalt oder eine ärztliche Schlichtungsstelle von der angeblich Geschädigten/vom angeblich Geschädigten oder von der angeblichen Schädigerin/vom angeblichen Schädiger oder von einer ihrer bevollmächtigten Vertreterinnen/einem ihrer bevollmächtigten Vertreter schriftlich um Vermittlung ersucht wird, so ist der Fortlauf der Verjährungsfrist von dem Tag an, an welchem dieses Ersuchen bei der Patientenanwältin/beim Patientenanwalt oder bei der ärztlichen Schlichtungsstelle einlangt, gehemmt.
(3) Die Hemmung des Fortlaufs der Verjährungsfrist endet mit dem Tag, an welchem
1. die angeblich Geschädigte/der angeblich Geschädigte oder die bezeichnete Schädigerin/der bezeichnete Schädiger oder eine ihrer bevollmächtigten Vertreterinnen/einer ihrer bevollmächtigten Vertreter oder
2. die angerufene Patientenanwältin/der angerufene Patientenanwalt oder die befasste ärztliche Schlichtungsstelle schriftlich erklärt hat, dass sie/er die Vergleichsverhandlungen als gescheitert ansieht, spätestens aber 18 Monate nach Beginn des Laufes dieser Hemmungsfrist.
(4) Für den Fall des Bestehens einer Haftpflichtversicherung begründet die Mitwirkung der ersatzpflichtigen Versicherungsnehmerin/des ersatzpflichtigen Versicherungsnehmers an der objektiven Sachverhaltsfeststellung keine Obliegenheitsverletzung, die zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt.
I. Rechtsstellung und Sitz
Aufgrund des § 58a Abs. 1 Ärztegesetz wurde durch den Vorstand der Ärztekammer für Tirol eine unabhängige und weisungsfreie Schiedsstelle in Arzthaftpflichtfragen (im Folgenden Schiedsstelle genannt) eingerichtet.
Sitz und Geschäftsstelle ist bei der Ärztekammer für Tirol, Anichstraße 7, 6020 Innsbruck
Telefon: 0512/52058 -0
Fax: 0512/52058 -130
E-Mail: kammer@aektirol.at
Internet: www.aektirol.at
Beratungszeiten: Montag und Dienstag von 08:00 bis 17:00 nach Vereinbarung
II. Zuständigkeit
Die Schiedsstelle kann zur Schlichtung und Entscheidung von Schadenersatzansprüchen wegen von Patienten oder deren Rechtsnachfolgern behaupteten
- ärztlichen Behandlungsfehlern
- medizinischen Behandlungszwischenfällen, die im Spitalsbereich oder in den ärztlichen Ordinationen auftreten
angerufen werden.
Auch ein Arzt kann die Schiedsstelle anrufen, wenn er glaubt, an einem Patienten einen Behandlungsfehler begangen zu haben oder kann vom Arzt die Feststellung beantragt werden, dass er keinen Behandlungsfehler begangen hat.
Nicht behandelt werden Honoraransprüche.
Ziel des Schlichtungsverfahrens ist eine außergerichtliche Einigung, daher kann die Schiedsstelle grundsätzlich nur vor Befassung eines Gerichtes in Anspruch genommen werden.
Im Falle einer strafrechtlichen Anzeige ist eine Behandlung durch die Schiedsstelle nur möglich, wenn das Verfahren eingestellt bzw. abgeschlossen ist.
III. Zusammensetzung der Kommission
Die Kommission ist das Entscheidungsgremium und besteht aus zwei bzw. drei Mitgliedern. Diese Mitglieder sind:
- ein Vorsitzender, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss
- ein ärztlicher Sachverständiger im Sinne von Punkt IV. dieser Richtlinie, der in die Ärzteliste eingetragen sein muss
- bei Bedarf kann der Vorsitzende einen weiteren ärztlichen Sachverständigen im Sinne von Punkt IV. dieser Richtlinie beiziehen, der ebenfalls in die Ärzteliste eingetragen sein muss.
IV. Bestellung der Mitglieder
Die Mitglieder werden durch die Ärztekammer für Tirol auf Dauer bestellt, wobei die Bestellung mit Erreichen des 75. Lebensjahres jedenfalls automatisch erlischt.
Die Ärztekammer für Tirol wird aus den erforderlichen Fachbereichen der Medizin (Allgemeinmedizin, konservative und chirurgischen Fächer) eine ausreichende Anzahl an ärztlichen Sachverständigen bestellen.
Die Auswahl und die Anzahl (Pkt III/3 der Richtlinie) der ärztlichen Sachverständigen, die an den einzelnen Kommissionssitzungen teilnehmen, obliegt dem Vorsitzenden, wobei der jeweilige Sachverhalt bei der Auswahl zu berücksichtigen ist.
V. Vertretung der Schiedsstelle und Führung der Geschäftsstelle
Die Schiedsstelle wird vom Vorsitzenden nach außen vertreten. Die Führung der Geschäftsstelle obliegt ebenfalls dem Vorsitzenden. Die Geschäftsstelle hat für die Sitzungen und Verhandlungen der Schiedsstelle einen Schriftführer und ein geeignetes Sitzungszimmer beizustellen. Die Ärztekammer für Tirol stellt im Rahmen ihrer Möglichkeiten die erforderliche personelle und räumliche Infrastruktur zur Verfügung. Der Geschäftsstelle obliegen alle organisatorischen Maßnahmen, die für den Gang des Verfahrens erforderlich sind. Sie sind über Anordnung des Vorsitzenden zu treffen.
VI. Einleitung des Verfahrens
Anträge auf Befassung der Schiedsstelle sind bei der Geschäftsstelle schriftlich einzubringen.
Der Antrag hat eine kurze Schilderung des Sachverhaltes und ein bestimmtes Begehren zu enthalten, vorhandene Unterlagen sind dem Antrag beizufügen.
Anträge können von jedem Patienten eines in Tirol niedergelassenen Arztes oder eines in einer Krankenanstalt in Tirol behandelten Patienten gestellt werden.
Die Geschäftsstelle hat die bei ihr einlangenden Anträge unverzüglich dem Vorsitzenden oder einem von diesem bestimmten Mitglied der Kommission vorzulegen.
Bei Antragstellung hat der Patient zu erklären, dass noch kein zivilgerichtliches Verfahren eingeleitet worden ist und vor Beendigung des Schlichtungsverfahrens kein zivilgerichtliches Verfahren eingeleitet wird. Sollte im Laufe des Schiedsverfahrens ein zivilgerichtliches Verfahren eingeleitet werden, verpflichtet sich der Antragsteller, die Geschäftsstelle unverzüglich darüber zu informieren.
Der antragstellende Patient hat seine Zustimmung zur Weitergabe aller Daten und Informationen an die Schiedsstelle, die nach dem Datenschutzgesetz, dem Tiroler Krankenanstaltengesetz, dem Ärztegesetz oder nach sonstigen Bestimmungen einer Weitergabebeschränkung oder Verschwiegenheitspflicht unterliegen, zu geben.
Die Streitteile verzichten auf die Einrede der Verjährung bis drei Monate nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens, soweit eine solche durch die Dauer dieses Verfahrens eintreten würde.
VII. Verfahren
Die Mitglieder der Kommission haben in nicht öffentlicher Sitzung die zur Vorbereitung der Verhandlung erforderlichen Beschlüsse zu fassen, insbesondere:
- welche Beweise erhoben werden
- ob ein Sachverständiger mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen ist
- nach Vorliegen aller Unterlagen den Termin einer mündlichen Verhandlung festzulegen
Im Fall einer mündlichen Verhandlung sind zu laden:
- der Patient und gegebenenfalls sein Vertreter
- der betroffene Arzt und gegebenenfalls sein Vertreter
- ein Vertreter des beteiligten Krankenhausträgers
- ein Vertreter der Haftpflichtversicherung des betroffenen Arztes bzw. des beteiligten Krankenhausträgers
Der Haftpflichtversicherer ist vom betroffenen Arzt bzw. von der Krankenanstalt für den Einzelfall namhaft zu machen.
Die Ladungen zur mündlichen Verhandlung sollen ca. zwei Wochen vor der Sitzung zugestellt werden.
Wenn der Antragsteller den Ladungen oder Aufträgen der Schiedsstelle unentschuldigt nicht nachkommt, kann die Schiedsstelle das Verfahren vorzeitig beenden.
Die von der Kommission gefasste Entscheidung in Form eines Streitbereinigungsvorschlages ist in der Sitzung mündlich bekannt zu geben.
Über jede Sitzung ist eine Niederschrift zu verfassen, die vom Vorsitzenden und von den Mitgliedern zu unterfertigen ist.
VIII. Entscheidungen der Kommission
Die Kommission entscheidet einstimmig.
Die von der Kommission gefasste Entscheidung ist in der Sitzung mündlich bekannt zu geben. Im Streitbereinigungsvorschlag ist der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach – sofern die Partei nicht auf einen Vorschlag der Höhe nach verzichten – zu differenzieren.
Mit Verkündung des Streitbereinigungsvorschlages ist das Verfahren beendet.
IX. Kosten
Das Verfahren vor der Schiedsstelle ist für den Patienten kostenlos.
Der Patient hat die Kosten der Vertretung durch den von ihm bestellten Rechtsanwalt sowie Dolmetscherkosten und allfällige Kosten der Zureise zu einem von der Kommission bestellten Sachverständigen selbst zu tragen.
Die Kommission kann jedoch allfällige Kostenersatzansprüche in den Streitbereinigungsvorschlag aufnehmen.
X. Personenbezogene Bezeichnungen
Soweit in dieser Richtlinie personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.
XI. Übergangsbestimmungen und In-Kraft-Treten
Die bis zum In-Kraft-Treten dieser Richtlinie bei der Schiedsstelle eingebrachten Anträge werden nach den bisherigen Grundsätzen abgewickelt. Insbesondere bleibt die Kommission wie bisher zusammengesetzt.
Auf Anträge, die ab dem Tag des In-Kraft-Tretens dieser Richtlinie bei der Schiedsstelle einlangen, sind die Bestimmungen dieser Richtlinie anzuwenden.
Richtlinie vom 1.12.2016, zuletzt aktualisiert am 28.09.2017